15. Februar 2002

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Tibetische Gefangene in Nepal ersuchen um königliche Begnadigung

Elf Tibeter, die 10-jährige Haftstrafen in Nepal verbüßen, weil sie nicht die einschlägigen Reise- oder Aufenthaltsdokumente besaßen, ersuchten den nepalesischen König vor dem "Demokratietag" Nepals am 19. Februar um Begnadigung. An diesem Tag pflegt der König traditionsgemäß gewisse Gefangene zu begnadigen. Die langen Hafturteile erregten Besorgnis in der tibetischen Gemeinde in Nepal, weil die meisten Tibeter, die Nepal durchqueren oder in dem Königreich wohnen, nicht im Besitz der offiziellen Papiere sind, welche die Einwanderungsbehörde im Falle der 11 inhaftierten Tibeter verlangte.

Zwei davon, Mönche, die in dem Kloster Sera in Südindien studiert hatten, wurden am 20. August letzten Jahres in einem Restaurant in Bodhnath, Kathmandu, festgenommen, weil sie nicht im Besitz der erforderlichen Aufenthaltspapiere waren. Zwei Tage später wurden acht Tibeter, die über Nepal nach Tibet zurückreisen wollten, am Kontrollposten Thankot am Rand des Kathmandu Tales von nepalesischen Sicherheitsbeamten festgenommen. Den acht wurde eine Geldstrafe von je $1.624 auferlegt (die Summe von Visumgebühr, Gebühren für nicht fristgerechte Beantragung und weiterer aus der Anzahl der Tage, die sie ohne gültiges Touristenvisum im Lande gewesen waren, errechnete Beträge). Die zwei Mönche wurden zu je $ 2.733 (Visumgebühr, Gebühren für nicht fristgerechte Beantragung und weitere Geldstrafen) verurteilt, bei einer Gefängnisstrafe von 10 Jahren im Falle ausbleibender Zahlung. Keiner der 10 Tibeter hatte das Geld, diese Strafen zu zahlen, weshalb sie alle von der nepalesischen Einwanderungsbehörde, welche dem Innenministerium untersteht, ins Gefängnis gesperrt wurden. Die Strafen für die 8 Tibeter basieren auf ihrem illegalen Aufenthalt in Nepal, nachdem sie im Januar 2001 das Land betreten hatten. Ihre gesetzlichen Vertreter argumentierten, es stimme zwar, daß sie Nepal zu diesem Datum betreten hätten, daß sie das Land aber nur auf ihrem Weg nach Indien durchquerten, ehe sie im August 2001 wieder über Nepal nach Tibet zurückkehren wollten. Ein elfter Tibeter, ein Mönch, der in Nepal lebte, ist bereits seit zwei Jahren im Bhatra Gefängnis in Kathmandu eingesperrt, nachdem er im Juni 2001 im Solokhumbu Distrikt von Nepal verhaftet worden war, weil er keine gültigen Dokumente besaß.

Die meisten der in Nepal ankommenden Tibeter haben kein nepalesisches Visum oder offizielle Reisedokumente. In den letzten Jahren ist es für Tibeter aus Zentraltibet, besonders aus Lhasa, immer schwieriger geworden, einen Paß zu bekommen. Es gibt ein festgelegtes Verfahren zwischen der nepalesischen Regierung und dem UN Hochkommissariat für Flüchtlinge (UNHCR), für Tibeter, die in Nepal ankommen und das Land durchqueren, um nach Indien weiterzureisen. Aber es besteht keine Vereinbarung hinsichtlich der Tibeter, die aus Indien über Nepal nach Tibet zurückkehren. Der Vertreter des UNHCR in Nepal, Michel Dupoizat, erklärte TIN, um weitere Verhaftungen von Tibetern in Nepal zu vermeiden, würden gegenwärtig Bemühungen unternommen, um zu garantieren, daß aus Indien kommende Tibeter in Zukunft auf ihrem Rückweg nach Tibet sicher durch Nepal reisen können. Wangchug Tsering, Repräsentant des Dalai Lama in Kathmandu, berichtete TIN, das nepalesische Innenministerium habe "positiv geantwortet", was die Möglichkeit der Ausstellung einer Art von Ausweis für Tibeter betrifft, die aus Indien über Nepal nach Tibet zurückkehren möchten.

In Nepals Einwanderungsgesetz gibt es keine speziellen Bestimmungen für Flüchtlinge. Sowohl Ausländer als auch Asylsuchende, die Nepal betreten, gelten als illegal Eingereiste, wenn sie nicht den § 3(1) des nepalesischen Immigrationsaktes (1992) erfüllen, der festlegt: "Kein Ausländer darf ohne ein Visum das Königreich Nepal betreten oder sich darin aufhalten".

Quellen in Kathmandu zufolge nehmen die nepalesischen Behörden nun öfters Stichkontrollen der Ausweispapiere von Tibetern vor, besonders im Umkreis der Bodhnath Stupa in Kathmandu. Dies könnte zwar auch mit dem gegenwärtigen "Ausnahmezustand" zu tun haben, den die Regierung verhängte, um die Aktivitäten der nepalesischen maoistischen Rebellen zu bekämpfen. Der Repräsentant des Dalai Lama in Kathmandu, Wangchug Tsering, sagte: "Die Lage scheint nun für Tibeter in Nepal sogar noch prekärer geworden zu sein".

Ende 2000 gab es schon einmal einen solchen Fall von Verhaftung, als eine Gruppe von 19 Tibetern beim Versuch die Grenze von Indien nach Nepal zu überqueren, um nach Tibet zurückzukehren, festgehalten wurden. Hätten Gönner nicht die riesigen Geldstrafen bezahlt, die über diese 18 Tibeter und eine Tibeterin verhängt wurden, hätten sie wohl mehr als zwei Jahre im Gefängnis sitzen müssen (immerhin saßen sie 6 Monate ein, bis die Strafen gezahlt wurden). Die Verhaftungen von 2000 erfolgten auf eine Revidierung des Grenzvertrages zwischen Nepal und Indien von 1950 durch die nepalesische Regierung, nachdem 1999 eine Indian Airlines Maschine auf dem Flug von Kathmandu nach Delhi von Terroristen entführt worden war. Dieser Grenzvertrag sah freien Grenzübertritt für nepalesische und indische Bürger vor, die zwischen den zwei Ländern hin- und herreisten. Durch die Abänderung dieses Gesetzes sind die Kontrollen entlang der Indien/Nepal Grenze nun strenger geworden, was wahrscheinlich immer mehr Tibeter zu spüren bekommen, die auf der Rückreise von Indien nach Tibet sind. Die Flucht des 17. Karmapa, Ugyen Trinley Dorje, durch nepalesisches Staatsgebiet im Januar 2000 gilt auch ein Faktor, der zu verstärktem Druck Chinas auf Nepal und zu den strengeren Grenzkontrollen zwischen Nepal und Indien führte.

Die acht jungen, in Kathmandu inhaftierten Tibeter stammen aus der ehemaligen tibetischen Provinz Amdo (jetzt größtenteils der chinesischen Provinz Qinghai einverleibt). Sechs von ihnen wollten in Indien Exilschulen besuchen und zwei gingen auf Pilgerfahrt nach Indien. Eine 22-jährige Tibeterin ist gegenwärtig wegen ihres schlechten Gesundheitszustandes in Obhut des Tibetan Reception Centre in Kathmandu. Sobald sich ihr Zustand gebessert hat, muß sie den Rest ihrer Haftstrafe im Gefängnis abbüßen. Die sieben anderen Tibeter und die zwei Mönche, die ursprünglich aus Chamdo (chin. Changdu) stammen, sind in dem Zentralgefängnis von Kathmandu in Dilli Bazaar eingesperrt.

Der König Nepals begnadigt traditionsgemäß gewisse Häftlinge zu drei Schlüsseldaten - dem Demokratietag am 19. Februar, dem Verfassungstag (der gewöhnlich in Abhängigkeit des nepalesischen Mondkalenders in die erste Hälfte des Novembers fällt) und dem Geburtstag des Königs, dem 7. Juli. Das Ansuchen der 11 Tibeter um eine königliche Begnadigung wird von dem Büro des Dalai Lama in Kathmandu und dem UNHCR unterstützt; die endgültige Entscheidung wird von dem nepalesischen Kabinett unter der Schirmherrschaft des Königs getroffen.

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